„Iss morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein Bürger und abends wie ein Bettelmann“

Obiges Sprichwort ist zwar nicht für Jedermann praktikabel und geeignet, dennoch steckt viel Wahrheit darin. Besonders für Menschen, die eine Gewichtsreduktion anstreben, ist diese Weisheit sinnvoll. Im Interview mit Sebastian Finis spricht die Diplom-Ernährungswissenschaftlerin Dr. Cornelia Maaß vom Dr.-Gola-Institut für Ernährung und Prävention über die Wichtigkeit des Frühstücks, die Ernährungspyramide der DGE, Low Carb, Slow Food, Diäten sowie über allgemeine Ernährungsregeln und –trends.

Sebastian Finis: Guten Morgen Frau Dr. Maaß, gut gefrühstückt? Was gab’s denn bei Ihnen?

Dr. Cornelia Maaß: Ein belegtes Brot, dazu ein bisschen Obst und einen Joghurt. Und natürlich fehlte der Kaffee nicht.

 

Es heißt, das Frühstück sei die wichtigste Mahlzeit des Tages. Sehen Sie das auch so und wenn ja warum?

Es gibt viele Menschen, die ohne Frühstück gut durchs Leben kommen. Entscheidend ist aber, dass Sie über den Tag verteilt alle Nährstoffe aufnehmen, die der Körper benötigt. Und da leistet das Frühstück mit einen entscheidenden Beitrag. Und das Frühstück ist ein guter Start, um der Verdauung zu zeigen: „Jetzt geht’s los in den Tag!“. Die meisten Menschen arbeiten auch tagsüber am Stärksten. Und somit bietet das Frühstück eine gute und teilweise unverzichtbare energetische Grundlage.

Wann am Tag sollte ich denn das meiste Essen bzw. die meisten Kalorien zu mir nehmen? Gibt es eine Faustregel oder ist das individuell unterschiedlich?

Jein. Es hängt davon ab, wie Sie arbeiten. Bei Personen, die einen normalen Tagesablauf haben, also zum Beispiel von neun bis circa 18 Uhr arbeiten, kann man das Sprichwort „Iss morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein Bürger und abends wie ein Bettelmann“ durchaus gelten lassen. Denn abends leisten sie in der Regel keine große Kopfarbeit mehr oder rennen einen „Marathon“. Sobald sich die Arbeitszeit verlagert, wenn Sie beispielsweise von mittags bis abends arbeiten, kann und sollte das durchaus abweichen. Sie sollten den Mahlzeitenrhythmus finden, der am besten zu Ihnen und Ihrem Arbeitsrhythmus passt.

 

Ist es besser drei Hauptmahlzeiten (morgens, mittags, abends) zu essen oder lieber fünf, sechs kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt?

Das hängt davon ab, welcher Esstyp Sie sind. Wenn Sie zum Beispiel jemand sind, der aufgrund der Arbeit nur drei Mal am Tag Zeit hat zu essen, dann essen Sie drei Mal am Tag. Der Nachteil bei nur drei Mahlzeiten am Tag ist: Die Stunden dazwischen können sehr lang sein. Zwischen Mittag und Abendbrot vergehen durchaus mal sechs, sieben Stunden. Wenn Sie dann merken, dass der Teller abends zu groß wird bzw. der zweite oder dritte Teller hinterherkommt, kann es sinnvoller sein, eine Zwischenmahlzeit einzuplanen. Wer Zwischenmahlzeiten plant, sollte darauf achten, dass diese tatsächlich Zwischenmahlzeiten sind und nicht mehr. Nicht empfehlenswert ist, dass Sie über den Tag snacken, also jede Stunde irgendetwas essen, sodass Sie am Ende auf acht bis zehn Essensportionen am Tag kommen. Man verliert leicht den Überblick. Geben Sie Ihrem Körper klar vor, was eine Mahlzeit und Zwischenmahlzeit ist und essen Sie dazwischen ruhig vier Stunden einmal nichts.

 

Damit der Körper wieder ein gewisses Hungergefühl entwickelt.

Genau. Dass er das Gefühl kennt und auch die Sättigungsphase voll ausnutzen kann ...

Die Ernährungspyramide
Die Ernährungspyramide

Bis 2005 sah die offizielle Ernährungspyramide der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) vor, dass Getreideprodukte, also Brot, Teigwaren, Kartoffeln, Nudeln und Reis die Basis unserer Ernährung bilden sollten und mehrmals täglich zugeführt werden. Heute sollen hingegen Gemüse und Obst die Basis bilden. Wie kam es Ihrer Meinung nach zu diesem Sinneswandel der DGE?

Die steigenden Zahlen übergewichtiger Menschen in unserer Gesellschaft sind in die Umsetzung der Ernährungspyramide mit eingeflossen. Kohlenhydrate, aus denen Getreideprodukte zum Großteil bestehen, sind kalorisch höher angesiedelt als Gemüse und Obst. Hinzu kommen die präventiven Wirkungen von Gemüse und Obst hinsichtlich einiger Erkrankungen – zum Beispiel der positive Einfluss von sekundären Pflanzeninhaltsstoffen in Gemüse und Obst bei Bluthochdruck oder erhöhten Blutfettwerten. Viele Erkenntnisse sind in dieser Hinsicht erst in den letzten Jahren dazugekommen und stehen noch am Anfang der Forschung.

Low Carb: Lachs mit Salat
Low Carb: Lachs mit Salat

 „Low Carb“, also der Verzehr von nur wenigen Kohlenhydraten, ist derzeit in den Medien stark vertreten. Wie beurteilen Sie diese Ernährungsweise?

Das Prinzip von Low Carb ist, dass Sie eine Diät machen. Das heißt, Sie wollen Ihre Kalorien reduzieren. Bei Low Carb wird die Kalorienreduktion darüber bereitgestellt, dass Sie eben weniger Kohlenhydrate essen. Der zweite Hintergrund, warum sich Menschen Low Carb ernähren ist, dass sie ihren Blutzuckerspiegel aufgrund der wenigen Kohlenhydrate relativ niedrig halten. Dadurch wird auch weniger Insulin, also das Speicherhormon im Körper, ausgeschüttet. Wenn der Insulinspiegel hoch ist, ist der Körper auf „speichern“ eingestellt, wenn er niedrig ist, gibt er gerne auch einmal ab. Das sind die Aspekte, die man sich unter Low Carb vorstellt. Schließlich hängt es aber vom Esstyp ab, ob eine Low-Carb-Diät funktioniert. Es ist individuell unterschiedlich. Bei einem Mann beispielsweise, der sich mit viel Fleisch proteinreich ernährt, bringt diese Diät nichts. Er bezieht seine Kalorien hauptsächlich über Proteine und verzichtet schon auf die danebenliegende Kartoffel. Eine Person hingegen, die zum Beispiel gerne viel Brot und Nudeln isst, könnte mit einer Low-Carb-Ernährung, ihre zugeführte Kalorienmenge deutlich reduzieren. Für eine Gewichtreduktion ist ein Kaloriendefizit entscheidend und das muss nicht unbedingt über die Kohlenhydrate stattfinden. Und ein Nachteil einer Low-Carb-Diät kann zum Beispiel sein, dass der Stuhlgang nicht mehr so optimal verläuft, weil die Ballaststoffe fehlen.

Salat mit proteinreichem Tofu
Salat mit proteinreichem Tofu

Welchen Standpunkt vertreten Sie generell zu Diäten? Welche sind gut, welche weniger gut?

Das ist eine schwere Einschätzung, da es sehr viele verschiedene Diäten gibt und jedes Jahr immer wieder neue dazukommen. Was ist wichtig bei einer Diät? Um zwei, drei Kilos zu reduzieren, die Sie nach Weihnachten oder Ostern zugenommen haben, kann eine Diät durchaus eine Möglichkeit sein. Wenn Sie langfristig mehr als fünf oder zehn Kilo reduzieren wollen, hat die Diät immer Nachteile. Die Kalorienreduktion ist oft sehr groß und es sind oft Prinzipien, die Sie auf Dauer – im Einklang mit dem Alltag, mit der Familie oder dem Job – nicht durchhalten. Die Gefahr, dass Sie nach sechs oder acht Wochen sagen: „Ich kann nicht mehr!“ und dass Sie einfach alles hinschmeißen, ist groß. Dann tritt der bekannte Jo-Jo-Effekt ein. Es gibt durchaus Diäten, die als Langzeit-Diät geeignet sind. Bei diesen Diäten ist auffällig, dass sie definitiv nicht unter 1.500 Kalorien, also ihrem Minimalbedarf, am Tag sind. Das heißt, die Kalorienreduktion ist nicht so groß. Und sie haben eine schöne Abwechslung. Alle drei Makronährstoffe, also Proteine, Fette und Kohlenhydrate, sind in den Diäten enthalten. Das macht das Durchhalten einfach länger und angenehmer. Bei einer Diät würde ich immer darauf schauen, ob diese praktikabel mit meinem Alltag ist, ob alle Makronährstoffe vorhanden sind und ob die Kalorienreduktion nicht unter 1.500 Kalorien am Tag ist. Das sind drei ganz wichtige Aspekte. Wenn diese zutreffen, können Sie auch einmal länger dabei bleiben.

 

Im Prinzip geht es darum, eine langfristige Ernährungsumstellung anzustreben, nicht wahr?

Genau, das ist der Idealfall. Sie haben eine kleine Kalorienreduktion, sonst würden Sie nicht abnehmen, aber Sie machen das mit einer anständigen Ernährungsumstellung mit einer schönen Vielfalt, die u.a. auch Süßigkeiten in kleinen Portionen beinhaltet. Das wäre optimal – natürlich in Kombination mit Bewegung und eventuell der Stressprophylaxe.

Selbst zubereitet & genossen: Huhn mit Grünkern und Kaisergemüse
Selbst zubereitet & genossen: Huhn mit Grünkern und Kaisergemüse

In Deutschland gewinnt die Slow-Food-Bewegung immer mehr Anhänger. Was halten Sie davon?

Es ist schön, dass die „Entschleunigung“ des Essens immer beliebter wird. In Studien wurde festgestellt, dass sehr viel nebenbei passiert, sehr viel gesnackt wird und mehr Fertigprodukte auf den Tisch kommen. Die Slow-Food-Bewegung geht genau in die andere Richtung. Das heißt, dass sich die Menschen wieder Zeit nehmen fürs Essen, wieder auf regionale und saisonale Produkte schauen, mit frischen Lebensmitteln kochen und auch wieder den geselligen Aspekt des Essen mit hereinnehmen. Ich empfehle Ihnen, wenigstens eine Mahlzeit am Tag nach dem Slow-Food-Prinzip zu essen, also ganz in Ruhe mit der Familie oder Freunden und mit frischen Zutaten. Und am Besten sind Sie selbst der Koch.  

 

Glauben Sie, dass sich der Ernährungstrend in diese Richtung entwickelt? Wenn nein, wohin geht der Trend der Essgewohnheiten unserer Gesellschaft?

Es sind im Moment zwei Trends erkennbar. Der erste ist, das Essen nebenbei auf der Arbeit wird mehr über Snacks und Zwischenmahlzeiten anstelle von Hauptmahlzeiten bereitgestellt. Das wird in Zukunft noch zunehmen. Der andere Trend, das gemeinsame Essen zuhause in der Familie und unter Freunden nimmt auch an Bedeutung zu und wird zukünftig seltener, aber vielleicht – ich hoffe es – intensiver genossen.

 

Wie sieht Ihre persönliche Essgewohnheit aus?

Ich höre auf meinen Appetit und mein Hungergefühl. Man kann sich mit normalem Gewicht gut an Hunger- und Sättigungsgefühl orientieren und sich auf den Appetit größtenteils verlassen. Beispielsweise kommt automatisch der Appetit auf ein bestimmtes Lebensmittel, wenn dieses ein paar Tage/Wochen nicht gegessen wurde. Mein Mahlzeitenrhythmus ist durch meinen Arbeitsalltag relativ gut festgelegt. Und Sie wissen doch, man passt sich an.  

 

Womit beschäftigt sich das Dr.-Gola-Institut, bei dem Sie arbeiten?

Wir sind überwiegend in drei Themenbereichen unterwegs. Dazu gehört zum Einen die Ernährungsberatung, also Einzelcoachings, Kurse etc. zu allen möglichen Thematiken, von Adipositas, über vegetarische, vegane Ernährung bis hin zu Essstörungen. Wir bieten zum Beispiel die Präventionskurse „Gesund essen und wohlfühlen“ oder „Vegetarisch gut ernährt“ an. Alle diejenigen, die sich mehr Gedanken um die eigene Ernährung machen möchten, können wir unterstützen. Egal wie man essen möchte oder welche Zukunftsvorstellung man hat, wie das Essen aussehen sollte.Unser zweites Standbein ist, dass wir in die Betriebe gehen und dort im Rahmen des Gesundheitsmanagements Aktionen anbieten. Das Dritte ist, dass wir interessierte Laien, Fachkräfte etc. fortbilden.

 

Dr. Cornelia Maaß ist studierte Diplom-Ernährungswissenschaftlerin. Als Mitarbeiterin des Berliner Unternehmens „Dr. Gola – Institut für Ernährung und Prävention GmbH“ gibt sie Einzelcoachings, leitet Präventionskurse und arbeitet in Betrieben im Bereich der präventiven Gesundheitsvorsorge. Außerdem gibt sie Fortbildungen, leitet Seminare und hält Vorträge zu Themen rund um die Ernährung.

Dr. Gola – Institut für Ernährung und Prävention GmbH

Garbátyplatz 2, 13187 Berlin

Tel.: 030-47 53 63 66

Fax: 030-49 91 36 26

E-Mail: info@drgola.de

Internet: www.drgola.de

 

Fotos: privat, Pixabay, DGE

 

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Kommentare: 2
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    Anna Groover (Mittwoch, 01 Februar 2017 03:37)


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